«Was ich noch sagen wollte ...»

Die monatlich erscheinende Kolumne von Arbeitgeberdirektorin Saskia Schenker zu diversen aktuellen Themen, die die Arbeitswelt beschäftigen

Löhne nicht weiter belasten

Seit der Annahme der 13. AHV-Rente wird vermehrt über die Finanzierung von Sozialleistungen allgemein aber auch der künftigen Finanzierung dieser AHV-Mehrausgaben diskutiert. Interessant ist, sich ein paar Zahlen zur Entwicklung der Sozialversicherung in der Schweiz anzuschauen: Gemäss der Schweizerischen Sozialversicherungsstatistik 2023 haben sich die Ausgaben aller Sozialversicherungen seit 1990 von 46,6 auf 165,9 Milliarden Franken erhöht. Diese Ausgaben müssen durch entsprechende Einnahmen finanziert werden. Haupteinnahmequelle sind die Beiträge der Versicherten und Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber. Ihr Anteil hat zugenommen. 2021 machte er 72,5% der Einnahmen aus. Weitere Einnahmequellen sind Beiträge der öffentlichen Hand, Finanzerträge und übrige Erträge z.B. aus Dienstleistungen der Beruflichen Vorsorge. In Zeiten, in denen die Kaufkraft der Menschen und der Wirtschaftsstandort Schweiz per se unter Druck sind, stellt sich die Frage, wie die Belastung der Löhne durch Sozialversicherungsbeiträge aussieht.

Die Lohnabzüge für die AHV wurden in den letzten Jahren stark erhöht: Sie sind mit 8.7%, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer je hälftig finanzieren müssen, höher denn je. Die Beiträge wurden im Jahr 2020 im Zuge der Steuerreform und AHV-Finanzierungsvorlage von 8.4% auf 8.7% erhöht, um die AHV kurzfristig zu sanieren. Seither fliessen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern jährlich 2 Milliarden Franken mehr in die AHV.

Die Invalidenversicherungsbeiträge IV wurden letztmals im Jahr 1995 von 1.2 auf 1.4% erhöht, die Arbeitgeber/-innen und Arbeitnehmer/-innen ebenfalls je hälftig finanzieren. Die IV hat jedoch gegenüber der AHV eine Schuld von 10'284 Millionen Franken und schloss das Jahr 2022 mit einem Ausgabenüberschuss von 293 Millionen Franken ab, womit auch die IV nicht solide finanziert ist.

Aufhorchen muss man auch bei der Erwerbsersatzordnung EO: Ihr Lohnabzug lag nach einem Hoch in den 70er-Jahren ab 1995 bei 0.3% für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Seither ist auch diese Lohnabgabe weiter gestiegen bis auf 0.5% erstmals 2011, nach einem kurzen Rückgang liegt sie seit 2021 mit Einführung des Vaterschaftsurlaubs wieder bei 0.5%.

Die Arbeitslosenversicherung ALV stieg in den 90er Jahren auf hohe 3% und konnte mit Schwankungen im Jahr 2012 auf 2.2% gesenkt werden, wo die Abgabe verharrt. Das Recht zur Erhebung des im Jahr 2011 eingeführten Solidaritätsbeitrags auf Löhnen oberhalb des versicherten Verdienstes fiel per 2023 von Gesetzes wegen wieder weg dank des guten Kapitalbestands des ALV-Ausgleichsfonds. Da die ALV dank des Arbeitskräftemangels und tiefen Arbeitslosigkeit gut finanziert ist, sollten die Beiträge der Arbeitnehmer und Arbeitgeber in den kommenden Jahren gesenkt werden. Nun hat jedoch der Bund das Ansinnen, seinen Beitrag aufgrund seiner schlechten Finanzlage zu reduzieren, was wiederum dazu führt, dass die Löhne nicht wie gesetzlich vorgesehen mit einer ordentlichen Beitragssenkung entlastet werden sollen.

Gleichzeitig stehen diverse Erhöhungen der Lohnabzüge im Raum:
Die Finanzierung der 13. AHV-Rente ist noch überhaupt nicht gesichert. Würde sie über die Lohnbeiträge erfolgen, müssten die heute schon hohen Abzüge gemäss Bundesrat per 2026 von 8.7% auf 9.5% (+0.8 oder + 0.5 und +0.4 Prozentpunkt Mehrwertsteuer) erhöht werden. Und damit ist die Finanzierung des Bundesanteils noch nicht gelöst. Ganz zu schweigen davon, dass die demografische Entwicklung, die der AHV zusätzlich zu schaffen macht, ebenfalls noch nicht finanziert ist.

Trotz der schwierigen Situation veröffentlichte der Bundesrat nun auch noch eine Vernehmlassung zur Anpassung der Erwerbsersatzordnung, die weit über den Willen des Parlaments hinausgeht und die EO zusätzlich um 116 Millionen Franken jährlich belasten soll. Unter dem eigentlichen Ziel, die EO-Sätze für Militär, Mutterschafts-, Vaterschafts- und Adoptionsurlaube anzugleichen, werden diverse Massnahmen zum Ausbau der Sozialversicherungsleistung in spezifischen Lebenssituationen vorgeschlagen. Auch die EO für Eltern mit schwerkranken Kindern soll ausgeweitet werden auf alle Eltern, deren Kinder länger als vier Tage Spitalaufenthalt haben – auch wenn dieser planbar ist. Das entspricht nicht mehr dem Vorhaben des Parlaments, Eltern in sehr schwierigen, langandauernden Lebenssituationen zu entlasten.

Wir sind somit bei der AHV, IV und EO bei historischen Höchstbeiträgen, was die Lohnbelastung angeht. Bei der EO beschliessen Bundesrat und Parlament ständig zusätzliche Belastungen. Eine weitere, den Arbeitgebern und Arbeitnehmern zustehende Entlastung der ALV-Beiträge rückt in die Ferne. Und dann wären da noch die Zulagen, die die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber direkt bezahlen und somit unbemerkt von den hohen Lohnabzügen die Arbeitskosten der Schweiz belasten. Zusätzlich zu den Familienzulagen plant die ständerätliche Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur auch noch eine neue Betreuungszulage, mittels welcher künftig die Arbeitgeber/-innen die familienexterne Kinderbetreuung finanzieren sollen.

Die Löhne und Arbeitskosten werden also weiter belastet – Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber müssen ihren Anteil an den höheren Lohnkosten finanzieren und die Kaufkraft der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wird gesenkt. Das kann nicht das Ziel der Sozialpolitik sein.

Saskia Schenker, Direktorin Arbeitgeberverband Region Basel

Monatskolumnen
Arbeitgeberverband Region Basel

Kolumne April 2024 zum Thema «Lohnabzüge/Löhne nicht weiter belasten»

 

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Kolumne März 2024 zum Thema «Ältere Arbeitnehmer/innen: Erfahrung mehr nutzen»

 

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Kolumne Februar 2024 zum Thema «Eine 13. AHV-Rente bedeutet weniger Geld für die erwerbstätige Bevölkerung»

 

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Kolumne Januar 2024 zum Thema «2024: Den Blick fürs Ganze – oder:ein Hilferuf an die Bundespolitik»

 

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Die bereits erschienenen Monatskolumnen finden sie hier:

 

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